Seite 2    Westpreußen Berlin Mitteilungsblatt         Nr. 74
 
 

Leistikows wollte unbedingt Maler werden. Er war aber kein Naturtalent wie der von ihm verehrte Adolph Menzel „oder der auf allen Gebieten der Malkunst brillierende Franz Skarbina“ (M. Bröhan 1995). Aber der junge Leistikow ließ  von seinem einmal gefassten Plan nicht ab und suchte sich Privatlehrer. Die Malerprofessoren Hermann Eschke und Hans Gude nahmen ihn zum Schüler. Bezeichnend ist ein Brief Eschkes von 1885 (zitiert  bei M. Bröhan 2008, S. 15 und Fußnote 12):

„Walter hat – ich sage: Gott sei Dank – kein blendendes Talent, das jede Schwierigkeit im Fluge überwindet, dem alles spielend leicht wird, um deswillen aber häufig zu  Sorglosigkeit und Leichtfertigkeit führt, - nein, er muß sich jeden Fortschritt mit Ernst,  Mühe und Ausdauer erkämpfen, wird aber darum nur stärker und kräftiger werden und auch an Charakter gewinnen“.

Leistikows Lehrzeit bei Gude war 1890 beendet. Bereits 1886 stellte er seine Arbeiten auf den Ausstellungen der Königlichen Akademie der Künste aus. Zur Ausstellung am Lehrter Bahnhof 1890 schickte er das Gemälde „Ziegeleien am Wasser“ (1889). Nach M. Bröhan (2008, S. 16) „ist es eine reichhaltige Komposition, in der eine Fülle von Studien verwendet wurde, eine klar konturierte Stadtansicht bildet den Hintergrund, die Silhouette hebt sich fein gegen den Himmel ab; die Gebäude der Ziegelei, Menschen, Natur staffeln sich vom Mittelgrund her so zum unteren Bildrand, dass Blumen auf einer Wiese zum Pflücken nah scheinen“. Lovis Corinth urteilte später  über dieses frühe Bild: “Wäre  Leistikow nie über die Qualität und die Art dieses Bildes hinausgekommen, so würde er doch immer zu den tüchtigeren Malern unserer Zeit gerechnet werden  müssen“ (Corinth 1910/2000, S. 23). Das Gemälde „Ziegeleien am Wasser“ wurde wenige Jahre später für 300 Mark von der Dresdner Galerie angekauft und ist seit dem Zweiten Weltkrieg verschollen. Leistikow war sehr stolz darüber. Dieses Bild ist der Ausgangspunkt für seine weitere künstlerische Entwicklung hin zum „Wagnis einer freien Künstlerexistenz“.

 

Gründung der Vereinigung der XI ...

Walter Leistikow und andere Maler wollten sich unabhängig machen von vorgegebenen Rahmenbedingungen der Repräsentation ihrer Werke (Meister 2008, S. 53/54, hier auch  zitiert: Walter Leistikow: Die XI, in: Die Zukunft. 4 (1896) 14, S. 604) „Am 5. Februar 1892 fand die Gründung der ersten Künstlergruppe in Berlin statt. Elf Maler, darunter Walter Leistikow (der jüngste), Max Liebermann, Ludwig von Hofmann, Hugo Vogel und Franz Skarbina (der Älteste), beschlossen, regelmäßig in einem intimen Rahmen, also in einer privat-kommerziellen Galerie, ihre Jahresproduktion zu zeigen. Die erste Ausstellung der Vereinigung der XI fand im April 1892 in der Galerie Eduard Schulte am Pariser Platz statt. Leistikow skizzierte das Gegenmodell zu den großen Ausstellungen der Salons: Kleine Räume. Wenig Bilder, aber auserlesen mit Strenge ja Härte. Die Präsentation der XI wurde zu dem Ausstellungsereignis des Frühjahrs schlechthin: hoch gelobt und furchtbar ‚verrissen’. Doch die Maler waren souverän. Mit ihrem Galeristen hatten sie einen Vertrag abgeschlossen, der ihnen künstlerische Handlungsfreiheit ermöglichte“.

 

... und der Berliner Secession

Das Ziel der Künstler war es also, die Präsentation ihrer Werke eigenständig  zu gestalten, aber sie wollten dabei kein finanzielles Risiko eingehen und sich nicht die „Finger verbrennen“, wie Leistikow später schrieb (zitiert nach Meister 2008, , S. 58: Walter Leistikow, Über den Deutschen Künstlerbund und die Tage von Weimar,   in:  Die Kunst für Alle. 

 

 

 

19 [1903/04], S. 201-205; zitiert nach Corinth 1910, S. 71 f.). Der eigentliche Auslöser für die Gründung der Berliner Secession war die Absage der Ausstellungskommission an die Antragsteller, eigene Räume innerhalb des Landesausstellungsgebäudes zur Verfügung gestellt zu bekommen, in welchen sie in Eigenregieverantwortung die Auswahl und Hängung ihrer Werke hätten organisieren können. Den Münchner Künstlern war dieses Privileg ab 1893 auf der Großen Berliner Kunstausstellung gewährt worden. Die Ablehnung der Kommission, die einen schweren Misserfolg bedeutete, führte am 19. Januar 1899 zur offiziellen Gründung der Berliner Secession: Die Mitglieder der Berliner Secession verpflichteten sich, nicht mehr an der Großen Berliner Kunstausstellung teilzunehmen. Sie verpflichteten sich jedoch nicht, aus dem Verein Berliner Künstler auszutreten. Lediglich Walter Leistikow zog diese Konsequenzen wegen „der indifferenten, schwachen Haltung des Vereins Berliner Künstler als Vertreter der Berliner Künstlerschaft“.

Die Secession musste innerhalb weniger Wochen eine neue Ausstellungsmöglichkeit organisieren, um noch im selben Jahr, 1899, mit ihrer eigenen Jahresausstellung auf dem Markt konkurrenzfähig zu bleiben. Am 19. Mai wurde das von Hans Grisebach & August Dinklage entworfene Interimsgebäude der Secession vollendet, das sich neben dem Theater des Westens an der Kantstraße in nächster Nachbarschaft zur Königlichen Hochschule befand. Zu den Kreditgebern gehörten die beiden „Tiergartenmänner“ Richard Israel und Julius Stern, die Gemälde von Leistikow besaßen, sowie Walther Rathenau und der Bankier Carl Fürstenberg. Auch die Stadt Charlottenburg hat sich auf vorbildliche Weise engagiert und den Bau überhaupt erst ermöglicht. Am 20. Mai 1899 wurde die erste Ausstellung eröffnet. Für Leistikow war dies ein großer Erfolg.

1905 wurden die Räume des neuen Ausstellungshauses der Berliner Secession am Kurfürstendamm 208/209 mit einer Ausstellung des auch von Walter Leistikow geschaffenen Deutschen Künstlerbundes eingeweiht. Im Jahre 1936 schlossen die Nationalsozialisten das Haus.

 

Zwei Legenden um Walter Leistikow

Die eine Legende umkreist die Aussage, dass Leistikow von der Hochschule der Künste wegen Talentlosigkeit als Student abgewiesen wurde, zum Walter Leistikow selbst die Verbreitung dieses Gerüchtes offensichtlich befördert hat, weil es ihm nützlich erschien. Sabine Meister (2008, Der Fall Leistikow – Mythen, Strategien und Erfolge,            S.50–52 in: Stimmungslandschaften...2008.) hat in eingehenden Archivstudien nachgewiesen, dass Leistikow durch keine Prüfung gefallen war und  es Leistikows eigene Entscheidung gewesen war, einen anderen Weg als den geregelten Studiengang der Hochschule der Künste zu gehen, sondern sich private Lehrer suchte (s.o.).

Die andere Legende betrifft  die angebliche Zurückweisung („Refüsierung“) des Gemäldes „Grunewaldsee“ 1898 durch die Jury  der Großen Berliner Kunstausstellung, was die Gründung  der Berliner Secession sowie Leistikows Austritt aus dem Verein Berliner Künstler zur Folge gehabt haben soll, also  zur Abspaltung einer ganzen Künstlerbewegung geführt haben solle. Auch hier haben die Untersuchungen von Sabine Meister (2008, S. 57-58 in: Stimmungslandschaften...) ein anderes Ergebnis gezeitigt.

Nachdem Richard Israel das Gemälde der Nationalgalerie als Geschenk angeboten hatte, schrieb Hugo von    Tschudi (Fort. S.4)


 

 

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