Seite 4 Westpreußen Berlin
Und nicht
zuletzt das Lied der Deutschen in der Handschrift des Autors Fallersleben sowie
25 historische Flugzeuge.“
Reinhard
Müller zitiert den ehemaligen deutschen UN-Botschafter in New York, Tono Eitel,
der seit 2002 Sonderbot-schafter für die Verhandlungen mit Polen und der
Ukraine ist, und der in einem demnächst vorgestellten Sammelband zu
Kulturgütern im Zweiten Weltkrieg schreibt: „Grundsätzliche Beutekunstprobleme
haben wir also, soweit ersichtlich, nur mit zwei ehemaligen Kriegsgegnern:
Russland und Polen. Alle übrigen Staaten, auch von der Wehrmacht schrecklich
verheerte wie die Ukraine, haben sich für eine Politik der Restitution
entschieden.“
Auch aus den kaukasischen und zentralasiatischen Republiken ist zurückgegeben worden, „was immer als deutsches Eigentum identifiziert werden konnte“, führt der deutsche Sonderbotschafter weiter aus. „Die Zurückhaltung deutscher Kulturgüter bleibe ‚eine Wunde im deutschen Kulturleben’, ein Verschweigen leiste dem ‚Irrtum Vorschub, Deutschland könne sich mit einem endgültigen Verlust der betroffenen Kulturgüter abfinden.’“
Vielleicht haben Deutscher Bundestag und Außenminister zu lange geschwiegen? Der polnische Experte Kalicki schrieb schon 2001, dass die in Polen befindliche Berliner Sammlung alle Voraussetzungen einer „Ersatzrestitution“ erfüllen würde, denn die polnischen Kulturgüterverluste betrügen 20 Milliarden Dollar. Der polnische Botschafter und Beauftragte zur Rückführung von Kulturgütern, Wojciech Kowalski, schreibt in dem o.g. Sammelband: „Das übermächtige Interesse der deutschen Seite an der Wiedererlangung der Sammlung von Manuskripten und Bücher, die aus der Preußischen Staats-bibliothek zu Berlin stammen, beeinflusste die Gespräche ungünstig.“
Wie oben
bereits ausgeführt wurde, ist die Rechtslage eindeutig: es gibt die Pflicht zur
Rückgabe, und Polen hat auch keine Reparationsansprüche gegenüber der
Bundesrepublik Deutschland mehr. Der zweifellos völkerrechtswidrige Kunstraub
durch die Nazis „erlaubt keine Zurückhaltung deutscher Kunst“, schreibt
Reinhard Müller. Die Bundesrepublik Deutschland hatte ihrerseits „schon zu
Beginn der Verhandlungen als Geste des guten Willens den ‚Posener Goldschatz’
zurückgegeben; es folgten der Ferber-Altar, Archivalien, eine Marienstatue,
Akten des Generalgouvernements, eine Bremer Buchbestand /Anm.: damit sind
doch wohl hoffentlich nicht die während eines laufenden Gerichtsverfahrens
rechtswidrig in einer Nacht- und Nebel-Aktion nach Danzig überführten Bestände
der Danziger Naturforschenden Gesellschaft gemeint?/, ein etruskischer
Spiegel sowie 3000 Kirchenbücher von ehemals deutschen katholischen Gemeinden.“
In der Bundesrepublik Deutschland wird weiter intensiv nach als verloren
gemeldeten Gegenständen aus Polen gesucht. Bereits die Alliierten hatten schon
vorher vieles, was von der deutschen Besatzung geraubt worden war,
zurückgegeben.
Sonderbotschafter
Tono Eitel fordert, das Thema auf die Agenda der deutschen Außenpolitik zu
setzen; es sollte alles ausgeschlossen werden, was nach einem Rückkauf
deutschen Kulturgutes aussehen könnte. Das würde das Völkerrecht „verletzen und
insgesamt schwächen“. Und: Es würde „die Staaten töricht aussehen lassen,
welche bisher unter Beachtung der einschlägigen Rechtssätze die zu ihnen
gelangten deutschen Kulturgüter ohne Bezahlung restituiert haben“.
Abschließend
zitiert Reinhard Müller die Polnische Botschaft in Berlin, nach der die
Gespräche über die Rückgabe der Kulturgüter „streng vertraulich“ seien. Die
Suche nach einer „für beide Seiten akzeptablen Regelung wird fortgesetzt,
allerdings ist eine umgehende Beendigung dieses Prozesses zurzeit noch nicht in
Sicht.“
In der FAZ
v. 28.07.07 äußert sich der polnische Unterhändler Wojciech Kowalski:
„Rechtlich gesehen handelt es sich hier um Eigentum des polnischen Staates“.
Der Eindruck, dass Polen etwas ‚geraubt’
habe, sei verfehlt. (Fortsetzung folgt!)
Die Vielverschwiegenen
werden bald schweigen
Auch die passive
Aufmerksamkeit für „Namen, die keiner mehr
Nennt“, verschwindet mit der
Erlebnisgeneration aus dem Osten
Gab (und gibt) es einen
ostdeutschen Corpsgeist? Mit anderen Worten: Stellen vertriebene Personalchefs
bevorzugt Vertriebene ein, so wie
weiland Reserveoffiziere von ihresgleichen bevorzugt wurden? Es ist
müßig, ernsthaft über derlei zu sinnieren. Wie mitunter tatsächlich ein
Ostpreuße einem Landsmann bei der Stellensuche unter die Arme gegriffen haben
mag, so war in den Jahrzehnten nach 1945/46 doch stets die berufliche
Qualifikation primär entscheidend. Und manch andere Vertriebene haben sich in
der Nachkriegszeit kaum jemals bewusst als „Schlesier“ verstanden; manch einem
war seine Abkunft bekanntlich eher suspekt.
Dennoch, in Interviews mit
namhaften Vertriebenen wurde oftmals kein Hehl aus der Herkunft aus den
Vertreibungsgebieten gemacht, und sicherlich fand sich – vor allem durch die
Mitwirkung dieser Prominenten in Gremien, Ausschüssen und Jurys – immer wieder
die Möglichkeit, ein Forschungsprojekt, ein Kunstwerk, eine politische Aktion
in irgendeiner Weise positiv zu beeinflussen. Einen „Vertriebenenproporz“, der
die Präsenz von Sudetendeutschen und Westpreußen in den maßgeblichen
Entscheidungsinstanzen der Bundesrepublik garantierte, gibt es jedoch schon
seit langem nicht mehr.
Viel blieb, neben der
hauptberuflichen Arbeit der landsmann-schaftlichen Instanzen, in der
Nachkriegszeit nicht, um auf die deutsche Vergangenheit der Gebiete ostwärts
von Oder und Neiße hinzuweisen. Immerhin, die Provenienz namhafter Vertriebener
sorgte in den Medien, also in Würdigungen und Interviews, für ein Fortleben
mancher zunehmend fremd klingender Ortsnamen.
Dieser Rückenwind, über den
die historischen Ostgebiete latent über Jahrzehnte hinweg verfügt haben mögen,
flaut ab, ihm ist in wenigen Jahren ein Ende gesetzt. Eine biologische Zäsur
steht bevor, als deren Auswirkung die letzten „Erlebnisvertriebenen“ ihre
vielbeachtete Stimme im gesellschaftlichen Diskurs Deutschlands verlieren
werden. Die ersten, um 1885 geborenen, traten als Vertriebene bereits um 1950
in den Ruhestand, die letzten, 1945/46 noch in den Ostgebieten geborenen und in
der Bundesrepublik zu Führungskräften Avancierten, werden bis 2010/11 ebenfalls
aus dem aktiven Berufsleben ausgeschieden sein.
Mit ihnen geht eine Ära zu
Ende. Auch wenn jemand das schlesische oder ostpreußische Thema niemals aktiv
protegierte, Geburtsort und frühes Vertreibungsschicksal fanden doch zumeist
Einzug in die veröffentlichten Biographien und verschafften den „Namen, die
keiner mehr nennt“, eine passive Aufmerksamkeit. Eine, sicherlich
unvollkommene, Recherche fördert nicht mehr allzu viele Persönlichkeiten
zutage, die mehr oder minder der regulären Pensionsgrenze unterliegen und deren
aktiver oder auch passiver Einfluss binnen kurzem schwinden wird: Wolfgang
Thierse (Breslau), Klaus Dieter Lehmann (Breslau), Eberhard Piltz (Königsberg),
Bernd Neumann (Elbing), Bischof Walter Mixa (Königshütte, Oberschlesien),
Wilhelm von Boddien (Stargard), Sigrid Löffler (Aussig) und Marcel Reif
(Waldenburg).
Freilich: es gibt zugleich
zahlreiche in den Ostgebieten Geborene -
Unternehmer, Wissenschaftler, Künstler, Politiker -, die nicht an die
übliche Altersgrenze gebunden sind. Horst Ehmke (Danzig, die Red.) und Armin
Müller-Stahl (Tilsit), Günter Grass (Danzig), Lothar Gall (Lötzen), Wolf
Lepenies (Allenstein), Bazon Brock (Stolp), Markus Lüpertz (Reichenberg), Lena
Valaitis (Memel), Hanns Schygulla (Königshütte), Walter Laqueur und Reinhard
Selten (Breslau), Franz Josef Wagner
(Olmütz), Horst Fuhrmann (Kreuzburg, Oberschlesien), Veruschka von Lehndorff,
Witta Pohl, Gerlind Reinshagen und Heinrich August Winkler (Königsberg) wären zu nennen. Ihre Namen werden in
Verbindung mit ihren Geburtsorten noch einige Jahre und Jahrzehnte Zeugnis
davon ablegen, dass Deutsche auch aus Regionen jenseits der Oder stammen.
Martin Hollender (KK v.
10.07.2007)
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