Nr. 66
S.3
Westpreußen Berlin
Peter Glotz, Förderer des Zentrums
gegen Vertreibungen, ist tot
Im Alter von nur 66 Jahren verstarb im August in
einer Klinik in Zürich der sozialdemokratische Politiker Peter Glotz. Der
aus Eger gebürtige Politiker,
Wissenschaftler und Publizist schaffte es, in einem Wettlauf mit der Zeit,
seine Autobiographie „Von Heimat zu Heimat. Erinnerungen eines Grenzgängers“ im
ECON-Verlag erscheinen zu lassen. Hierin findet sich vieles, das den Lebensweg
des brillanten Schreibers und glänzenden Debattenredners verständlich macht.
Seine Fähigkeit zur analytischen Schärfe, sein klares Urteil über
gesellschaftliche Entwicklungen und sein Mut, unbequeme Sachverhalte zu benennen, waren gerühmt und gefürchtet.
Ich lernte Peter Glotz 1974 an der Pädagogischen
Hochschule in Berlin kennen, wo er als Wissen-schaftssenator und Dienstherr des
Lehrkörpers für uns schwerwiegende personelle Veränderungen verteidigte. Schon
damals war ich von dem Menschen Peter Glotz sehr beeindruckt. Seine zahlreichen
Publikationen haben es mir zum Teil sehr angetan. So erschien 1969 (zusammen
mit Wolfgang Langenbucher verfasst) „Der missachtete Leser. Zur Kritik der
deutschen Presse“. Hierin setzte er sich mit Journalisten auseinander, die
„elitär“ an den Bedürfnissen der Menschen vorbeischrieben: „In der leeren Kirche
ist schlecht predigen.“
1984 erschien von ihm das „Manifest für eine
europäische Linke“, im Jahre 1990, zur Wieder-vereinigung, veröffentlichte
Peter Glotz in der Deutschen Verlags-Anstalt Stuttgart sein Buch „Der Irrweg
des Nationalstaats. Europäische Reden an ein deutsches Publikum“. Dieses Werk
ist „ein leidenschaftliches Plädoyer gegen das Wiederaufleben des Nationalismus
im ethnisch gemischten Mitteleuropa und gleichzeitig eine Beschwörung der
Deutschen: sich der Gefahr bewusst zu bleiben, dass ihr ‚größeres Deutschland’
selbst dann neuen Nationalismus stimulieren könnte, wenn sie selber vernünftig
bleiben.“ 2003 erschien von Peter Glotz „Die Vertreibung. Böhmen als
Lehrstück“, das in der Bibliothek von uns Ostdeutschen nicht fehlen darf.
Bis 1996 war Peter Glotz Mitglied des Bundestages.
Als Gründungsrektor der Universität Erfurt und als Professor an der Universität
Sankt Gallen wandte er sich noch einmal der Wissenschaft zu. Seine Leidenschaft
galt aber der Publizistik. Mehr als 25 Bücher hat er geschrieben und dazu
unzählige Zeitschriftenaufsätze. Zuletzt kritisierte er in einem posthum in der
Monatszeitschrift „Cicero“ unter dem Titel „Tod am späten Nachmittag“
erschienen Artikel Deutschlands Parteien: Die beiden Volksparteien seine bei
den großen Problemen, wie der Sanierung der Sozialsysteme und dem Aufbau Ost
„abgetaucht“; es sei nicht lohnenswert gewesen, sich mit „den grünen
Trachtenjoppen, den roten Pullovern und den Politikern, die Bergmannskapellen
dirigieren“, herumzuschlagen.
Wir haben einen Freund verloren. Wir werden Peter
Glotz sehr vermissen. Seine vielen Schriften werden uns weiter begleiten.
Hk
Bundespräsident setzt sich
für Zentrum gegen Vertreibungen ein
Bundespräsident Horst Köhler hat sich bei seinem
Besuch in Warschau für die Errichtung eines
„Zentrums gegen Vertreibungen“ in Berlin ausgesprochen. Niemand habe die
Absicht, die Geschichte umzudeuten und aus Tätern Opfer zu machen, versicherte
der Bundespräsident seinen polnischen Gesprächspartnern.
Der Kritik aus Polen, dass das Zentrum die guten
Beziehungen zwischen den beiden Ländern beeinträchtige, hielt Köhler entgegen:
„Gute Beziehungen heißt nicht, dass man immer einer Meinung ist.“
DOD/PA
Erzbischof Georg Kardinal
Sterzinsky gegen Vertriebenenzentrum
Die eindrucksvollen Veranstaltungen zum „Tag der
Heimat“ in Berlin waren gerade eine Woche vorbei, als bekannt wurde, das die zunächst
erfolgreichen Verhandlungen der Stiftung „Zentrum gegen Vertreibungen“ mit der
katholischen Kirchengemeinde Sankt Michael in Berlin-Mitte um einen Ankauf für
den teilweise kriegszerstörten Sakralbau, von „oben“ gestoppt wurden.
Erzbischof Georg Kardinal Sterzinsky sprach sich plötzlich gegen einen Verkauf
der Michaeliskirche aus: „So- lange nicht hinreichend klar ist, was mit dem
‚Zentrum gegen Vertreibungen’ gemeint ist“, und solange kein gesellschaftlicher
Konsens bestehe, werde er nicht zustimmen.
Das Konzept des „Zentrums“ ist der Öffentlichkeit
jedoch seit Jahren bekannt. Es geht nicht nur um die Vertreibung der Deutschen
1945 und in den Folgejahren. Es sollen alle Vertreibungen in Europa des 20.
jahrhunderts dokumentiert werden. Das Zentrum will keine konkreten
Schuldzuweisungen und Schadensersatzforderungen herausarbeiten, sondern
Vertreibungen eo ipso als Verbrechen