Seite 2   Westpreußen Berlin Mitteilungsblatt         Nr. 75
 

Unterschrieben ist das Gesetz vom Preußischen Ministerpräsidenten Göring und zwei Fachministern, obwohl nach gängiger Staatsrechtslehre ein „Gesetz“ vom Landtag beschlossen werden musste und „Regierungen“ nur minder wichtige „Verordnungen“  erlassen durften. Aufgrund welcher Vollmacht Göring handelte, ist nicht ersichtlich. Wahrscheinlich hat 1938 ein Preußischer Landtag gar nicht mehr bestanden, denn sonst hätte dieser das Gesetz formell ordnungsmäßig verabschiedet. Jedenfalls muss Göring in Bezug auf seine Zuständigkeit ein Problem gesehen haben, denn es befindet sich unter dem Gesetz und unter den Unterschriften der Minister der  u n g e w ö h n l i c h e  Zusatz: „Im Namen des Reichs verkünde ich für den Führer und Reichskanzler das vorstehende Gesetz, dem die Reichsregierung zugestimmt hat. Göring“.

 

Man fragt sich hier, wie Göring als preußischer Gesetzgeber auftreten und zugleich im Namen „des Reichs“ ein Gesetz verkünden konnte, wobei dann noch mitgeteilt wird, dass die „Reichsregierung  zugestimmt“ hat. Ja man weiß hier nicht mehr, ob es ein „Preußisches Gesetz“ oder ein „Reichsgesetz“ darstellt. Ein „Reichsgesetz“ kann es jedoch nicht sein, denn dazu hätte es der Verkündung im Reichsgesetzblatt bedurft. Also bleibt es ein „Preußisches Gesetz“, das mit zweifelhafter Vollmacht und Zuständigkeit der vom Ministerpräsidenten Göring verkörperten Preußischen Landesregierung erlassen wurde: Zweifelhaft deshalb, weil die Landesregierung nur „Verordnungen“ erlassen durfte, ein „Gesetz“ wegen der Bedeutung der Abschaffung einer ganzen „Provinz“  jedoch staatsrechtlich zwingend notwendig war. Denn die Provinz war ja 1922 auch durch ein ordnungsmäßig zustande gekommenes, nämlich vom Landtag verabschiedetes Gesetz gegründet worden. Dieses Gesetz konnte deshalb nicht durch die Landesregierung aufgehoben werden.

 

Dass Brandenburg sich nun südlich Pommern bis Schlochau erstrecken  sollte, wurde jedoch kritisch gesehen und erregte Widerspruch. Demzufolge sollte eine  v i e r t e Alternative verwirklicht werden. Und zwar sollten die Kreise Schlochau, Flatow, Deutsch Krone, Netzekreis und Schneidemühl mit den pommerschen Kreisen Neustettin und Dramburg sowie den brandenburgischen Kreisen Arnswalde und Friedeberg zu einem Regierungsbezirk vereinigt und dieser unter dem alten Namen „Grenzmark Posen-Westpreußen“ der Provinz Pommern zugeteilt werden. Lediglich die südlichen Kreise sollten zu Brandenburg und Fraustadt sogar zu Schlesien kommen. Dadurch würden die Provinzen Pommern und Brandenburg aus überlang gestreckten Gebieten zu geografisch kompakteren Gebilden, die sich besser verwalten ließen.

 

Dieser Gedanke wurde durch das Preußische „Änderungsgesetz über die Gebietsbereinigungen in den östlichen preußischen Provinzen“ vom 2. 9. 1938 verwirklicht, das mit denselben Formalitäten wie das alte Gesetz vom 21. 3. 1938 erlassen wurde und PrGesS 1938, Seite 89, abgedruckt ist. Materieller Inhalt ist im Wesentlichen, dass der neue „Regierungsbezirk  Grenzmark Posen-Westpreußen“ nicht an Brandenburg, sondern an  P o m m e r n   angeschlossen wird. Zeitpunkt  des Inkrafttretens blieb der 1. 10. 1938.

 

Damit existierte seit dem 1. 10. 1938 ein zu Pommern gehörender Regierungsbezirk „Grenzmark Posen-Westpreußen“ mit dem Sitz des Regierungspräsidenten in Schneidemühl. Auch jetzt wollte man also den Namen „Posen-Westpreußen“ nicht   untergehen  lassen.  Kurios  war daran, dass altbrandenburgische Kreise wie Arnswalde oder altpommersche Kreise wie Neustettin nun zu „Posen-Westpreußen“ gehörten.

 

 

 

  Bei unvoreingenommener Betrachtung der geographischen Lage der Restgebiete der Provinzen Westpreußen und Posen muss man zugeben, dass die zuletzt gefundene Lösung vernünftiger war als der vor dem 1. 10. 1938 herrschende Zustand.

 

Nach im Verwaltungsrecht herrschender Meinung sind Gesetze über die Organisation der Verwaltung auch dann gültig, wenn sie unter zweifelhaften Umständen zustande gekommen sind. Schließlich wurde der neue Regierungsbezirk auch sieben Jahre von Pommern aus regiert. Die heutigen Deutsch Kroner wären damit rechtlich „Pommern“ und  keine „Westpreußen“. Ebenso  wären die Schneidemühler  rechtlich „Pommern“, aber keine „Posener“. Im Übrigen waren beide bis zum 1. 10. 1938  „Grenzmärker“ als Angehörige der Provinz „Grenzmark Posen-Westpreußen“, von da ab nur Angehörige des  pommerschen Regierungsbezirkes „Grenzmark Posen-Westpreußen“.

 

Über die Frage, ob die Provinz Pommern  und damit auch seine Regierungsbezirke  1945 mit dem faktischen Ende der deutschen Verwaltung oder erst 1947 mit dem Gesetz des Alliierten Kontrollrats über die Auflösung Preußens als Staat untergegangen sind,  lässt sich unter staatsrechtlichen und völkerrechtlichen Gesichtspunkten endlos streiten. Davon wird an dieser Stelle abgesehen. Mit dem Jahre 1940 endet auch die Preußische Gesetzsammlung, obwohl es ja auch danach eine Preußische Regierung gab, die zumindest Verordnungen erlassen durfte.

 

Alledem muss man entnehmen, dass die Gesetzgebung im „Führerstaat“ alles andere als geordnet war.

 

Literaturhinweis:

 „Die Grenzmark Posen-Westpreußen. Eine fast vergessene preußische Provinz. Kurzer Abriß ihrer Geschichte und Bemerkungen zu ihrer Kulturgeschichte. Herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft der fünf pommerschen Grenzmarkkreise Schlochau, Flatow, Deutsch Krone, Schneidemühl und Netzekreis. Druck: George Druck  Kassel 1987 , 46 Seiten“ .

 

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Die „Gesellschaft der Deutschen Minderheit mit Sitz in Bydgoszcz/Bromberg“ weist auf eine Veranstaltung hin:

IV. Wasserwanderung auf dem Bromberger Kanal – Fluss Brahe, 29. bis 31. Mai 2009.

Zu der Wasserwanderung können sich Einzelteilnehmer  und organisierte Gruppen anmelden. Jugendliche unter 18 Jahre dürfen nur unter der Obhut der Erwachsenen paddeln. Die Teilnehmer sind verpflichtet, die Anordnungen der Leitung sowie die Naturschutzvorschriften zu befolgen. Die Teilnahmegebühr beträgt Zloty 50,- und enthält ein warmes Mittagessen am Ende der Tagesetappen, ärztliche Betreuung und die Siegespreise für Gewinner.

Anmeldung: RTW Bydgostia Sektion Kanu-Touristik, 85-026 Bydgoszcz, ul. Zupy 4. Internet: www.bydgostia.org.pl,  elektron. Post: bydgostia@bydgostia.org.pl , Handy (deutsch): 0048 694 615 184.

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